Digitalisierung in KMU - Wo drückt der Schuh?

von Mareike Kühl

Gerade kleine und mittelgroße Unternehmen (KMU) tun sich schwer mit der digitalen Transformation. KMU stehen häufig eher für Beständigkeit und Tradition, statt für Digitalisierung und New Work. Woran liegt das und was muss getan werden, um bestehende Hürden abzubauen?

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Kleine- und mittelgroße Betriebe erwirtschaften fast die Hälfte des deutschen Bruttoinlandsproduktes und stellen über 90% aller deutschen Unternehmen. Egal ob Handwerk, Handel oder Dienstleistung – KMU sind das Rückgrat der deutschen Wirtschaft. In den letzten Jahren gibt es allerdings mehr und mehr Stimmen, die davor warnen, dass diese den Anschluss an die neue, digitale Arbeitswelt verlieren. Eine Vielzahl an Hürden bremst deutsche KMU in der digitalen Transformation aus. Woran liegt das und was braucht es, um die digitale Transformation gerade auch in kleineren Betrieben voranzubringen? Was muss getan werden, damit auch Begriffe wie Digitalisierung, Agilität oder New Work mit KMU assoziiert werden?

Der Alltag von KMU wird durch kleine, oftmals inhaber- oder familiengeführte Teams geprägt. Hier bestehen Geschäftsführung, Personal- und Controllingbereich nicht selten aus einer oder maximal zwei Personen. Dadurch herrscht gerade in inhabergeführten Betrieben häufig noch eine eher hierarchische und wenig agile Unternehmenskultur vor. Bei guter Auftragslage sind Geschäftsführung und Beschäftigte so stark ausgelastet, dass für größere Zukunftsprojekte wie die Digitalisierung oder strategische, zukunftsgerichtete Weiterbildung kaum Zeit bleibt. Zumal sich der unmittelbare Nutzen teurer Investitionen in Digitalisierung auch nicht für jedes Unternehmen auf den ersten Blick erschließt. Viele arbeiten daher nach dem Motto „never change a running system“. Aber dieses gut laufende System muss sich anpassen, um Raum für zukünftige Innovationen und Entwicklungen zu schaffen. Um dafür die Vorteile der digitalen Transformation nutzen zu können, müssen KMU in Deutschland allerdings einige Hürden überwinden:

5G an jeder Milchkanne: Ohne funktionierendes Internet, keine Digitalisierung. Noch immer ist gerade in ländlicheren Regionen kein Verlass auf einen guten (W)LAN-Empfang. Dieser ist allerdings unentbehrlich für digitale Tools, Vertriebskanäle oder auch Vernetzungsmöglichkeiten. Schnelles Internet muss für den digitalen Wandel flächendeckend verfügbar sein.

Zeit ist Geld: Es fehlen nicht nur materielle Ressourcen, um den digitalen Wandel voranzutreiben. Bei schlechter Auftragslage fehlt zwar das Geld, bei guter Auftragslage aber vor allem die Zeit. Gerade in Kleinstunternehmen ist die Zeit eine oftmals unterschätzte Hürde bei der digitalen Transformation. Die Arbeitsauslastung ist hoch und die Option, etwa Aufträge abzulehnen, um sich auf die Digitalisierung zu konzentrieren, wenig attraktiv.

Viele Stellen, wenige Bewerbungen: Nicht nur die Zeit, sondern auch Fachkräfte fehlen in KMU für die erfolgreiche Umsetzung von Digitalisierungsprojekten. Der Bedarf an gut qualifizierten Fachkräften, die das entsprechende Know-How für digitale Tools und New Work mitbringen, ist groß. Dagegen haben KMU, vor allem in ländlicheren Regionen, große Schwierigkeiten mit der Gewinnung und auch der Bindung von Fachkräften. Arbeitsumfeld und Infrastruktur spielen auch in diesem Zusammenhang eine große Rolle.

Weniger Bürokratie, mehr Pragmatismus: Oftmals fehlt es nicht am Willen zur Veränderung, sondern an den daran hängenden bürokratischen Prozessen. Ob es Arbeitszeitregelungen, mobiles Arbeiten oder auch Fördermöglichkeiten und die dazu passenden Projekte sind, sie alle sind mit vielen Formularen, bürokratischen Anforderungen und rechtlicher Unsicherheit verbunden. Das überfordert gerade kleinere Unternehmen, denen häufig die dafür nötigen personellen und finanziellen Ressourcen fehlen. Kein Wunder, dass vielen KMU dadurch die Lust an Digitalisierungs-Projekten vergeht.

Durchblick im Beratungs-Dschungel: Es gibt viele Beratungs- und Förderangebote von diversen Anbietern, um gerade Kleinstunternehmen im digitalen Wandel zu begleiten. Aber in diesem Dschungel an Angeboten von Agenturen, Coachings oder Förderprojekten ist es schwer den Durchblick zu behalten. Unternehmen müssen genau abwägen, welche Kosten mit welchem Nutzen verbunden sind und ob das jeweilige Angebot zu den eigenen individuellen Bedürfnissen passt. Den Weg durch diesen Angebotsdschungel zu finden ist äußerst zeitintensiv und daher für viele kleinere Unternehmen nicht zu leisten.

Veränderung beginnt im Kopf: Auch das Mindset von Unternehmensleitungen und deren Beschäftigten spielt im Übergang zur digitalen Arbeitswelt eine entscheidende Rolle. Wichtig ist eine generelle Offenheit für digitale Tools und die Bereitschaft für Veränderungen. Dabei können auch Best-Practice-Beispiele helfen. Ergänzend dazu kann durch Weiterbildungs- und Qualifizierungsangebote für die Beschäftigten ein einfacher Einstieg in die digitale Welt gewährleistet werden. Das bieten beispielsweise öffentlich geförderte Projekte wie die Mittelstand 4.0 Kompetenzzentren oder die Zukunftszentren über Praxisbeispiele, Lehr-Lernkonzepte oder Beratungsformate an. So werden Berührungsängste abgebaut und der Nutzen von digitalen Anwendungen leicht zugänglich gemacht. Auch der beidseitige Austausch von KMU und Startups ist eine gute Möglichkeit, um Offenheit für digitale Veränderungen zu schaffen und voneinander zu lernen.

Mareike Kühl ist Referentin in der Abteilung Strategie und Zukunft der Arbeit bei der BDA. Zuvor war sie für das Zentrum digitale Arbeit tätig, wo sie für das Monitoring der Beratungen von KMU sowie die Vernetzung der Beraterinnen & Berater zuständig war und so aus erster Hand Erfahrungen mit Digitalisierungsprojekten von KMU gesammelt hat.

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