Hybrides Arbeiten – Welchen Rechtsrahmen brauchen wir?

von Luise Ortloff und Katharina Winkler

Luise Ortloff und Katharina Winkler sind bei acatech – Deutsche Akademie der Technikwissenschaften im Themenschwerpunkt Volkswirtschaft, Bildung und Arbeit für das Thema Zukunft der Arbeit zuständig und unter anderem Projektverantwortliche des Human-Resources-Kreises von acatech. In diesem Jahr hat der HR-Kreis von acatech (Forum für Personalvorstände zur Zukunft der Arbeit) einen Politikbrief mit Impulsen zur Gestaltung der digitalen Transformation veröffentlicht.

Deutsche Unternehmen konkurrieren weltweit um die innovativsten Köpfe der digitalen Welt. Um dabei bestehen zu können, müssen sie auch zeitgemäße und attraktive Bedingungen für selbstbestimmtes Arbeiten schaffen können. Viele Entscheidungstragende haben verstanden, welche Flexibilitäts-, Vereinbarkeits- und Resilienzpotenziale durch hybride Arbeitsmodelle nutzbar sind. Orts- und zeitflexibles Arbeiten und damit einhergehende Freiräume zur Arbeitsorganisation und -gestaltung werden damit zum Win-Win für Beschäftigte und Unternehmen: Neben einer Steigerung der Arbeitgeberattraktivität und der damit einhergehenden Mitarbeiterbindung und Anwerbung von (dringend benötigten) Fachkräften kann eine höhere Mitarbeiterzufriedenheit und -motivation erreicht werden. Eben diese individuellen Gestaltungsmöglichkeiten werden von vielen Beschäftigten eingefordert.

In der betrieblichen Praxis sehen wir bereits gute Beispiele, wie Unternehmen gemeinsam mit Beschäftigten und den Sozial- und Betriebspartnern mobiles und hybrides Arbeiten durch unternehmensspezifische und betriebliche Regelungen ermöglichen. Nicht immer sind pauschale tarifliche bzw. gesetzliche Regelungen in einer pluralistischsten Gesellschaft der richtige Weg. Den Gegebenheiten einzelner Branchen und Unternehmen muss Rechnung getragen werden können.

Dennoch kann der Staat diese Entwicklungen unterstützen. Drei Lösungsansätze sollten dabei maßgebend sein:

Katharina Winkler ist bei acatech im Themenschwerpunkt Volkswirtschaft, Bildung und Arbeit für das Thema Zukunft der Arbeit zuständig.

Erstens: Homeoffice als mobiles Arbeiten einfach und praxisnah regeln.

Immer noch fehlt eine gesetzliche Definition des Begriffs Homeoffice. Die ist aber dringend notwendig, um im Gleichklang mit der „mobilen Arbeit“ eine klare Abgrenzung zur Telearbeit festzuschreiben. Der Gesetzgeber sollte daher deutlich machen, dass mobiles Arbeiten sowie Homeoffice auf der einen und (alternierende) Telearbeit auf der anderen Seite voneinander abzugrenzen sind. Es bedarf gesetzlicher Klarstellungen, dass Homeoffice mobiles Arbeiten ist und dementsprechend auch arbeitsschutzrechtlich dem mobilen Arbeiten gleichgestellt ist; die Arbeitsstättenverordnung sollte hier keine Anwendung finden. Weitere Regulierungen der Schutzrechte sind zu vermeiden. Vertragliche Vereinbarungen über die Nutzung der vom Arbeitgeber oder von den Beschäftigten gestellten Arbeitsmittel und mögliche Kostenerstattungen sind nach wie vor seitens beider sowie der Sozialpartner zu treffen.
Die jeweilige Ausgestaltung von mobilem Arbeiten sollte auch weiter in der Verantwortung der Arbeitsvertragsparteien liegen, unterstützt durch die Sozial- und Betriebspartner. Betriebsvereinbarungen sollten als eigenständige Grundlage anerkannt werden; tarifgebundene Ausnahmen sind zu vermeiden.

Zweitens: Steuerrechtliche Herausforderungen beheben.
Steuerlich muss die Absetzbarkeit von Arbeitsraum und Arbeitsmitteln für Beschäftigte verbessert werden. Arbeitnehmerinnen und -nehmer sollten ein Arbeitszimmer auch dann steuerlich geltend machen können, wenn sie über keinen abgetrennten Raum verfügen, sondern beispielsweise von dem Wohnzimmer aus arbeiten. Die pandemiebedingten Änderungen im Steuerhilfegesetz sind ein guter Ansatz und sollten verstetigt werden.

Um grenzüberschreitendes mobiles Arbeiten noch besser zu ermöglichen, sind beschränkte Steuerpflichten des deutschen Arbeitgebers nach ausländischem Recht sowie lohnsteuerliche Verpflichtungen im Ausland zu vermeiden. Der Gesetzgeber sollte hier deutlich machen, dass in diesen Fällen keine Betriebsstätte vorliegt. Eine Harmonisierung von Steuer- und Sozialversicherungsrecht mindestens in der Europäischen Union wäre zu begrüßen.

Drittens: Flexibilisierungsmöglichkeiten bei der Arbeitszeit schaffen.
Um eine echte Flexibilisierung der Arbeitsrealität sicherzustellen, wäre die Überarbeitung bestehender Ar-beitszeitregelungen eine hilfreiche Initiative. Das Arbeitszeitgesetz trägt der modernen Arbeitswelt nicht mehr Rechnung, es sollte die Spielräume der EU-Arbeitszeitrichtlinie nutzen: Die tägliche Höchstarbeitszeit sollte auf eine wöchentliche umgestellt und die Vorgaben zur Ruhezeit flexibilisiert werden. Diese Ansätze berücksichtigen sowohl individuelle Bedürfnisse als auch betriebliche Anforderungen besser als bisher. Darüber hinaus muss bei einer Umsetzung des Urteils des Europäischen Gerichtshofs zur Arbeitszeiterfassung sichergestellt werden, dass es Unternehmen und Mitarbeitenden flexible Arbeitszeitmodelle weiterhin ermöglicht und Rechtssicherheit bietet. Dies betrifft insbesondere Arbeitszeitsouveränität und Mobilarbeit, aber auch kollektive Zeiterfassung in Schichtmodellen und pauschale Pausenabzüge.

Neben den Chancen müssen immer auch die Grenzen der Mobilarbeit in den Blick genommen werden. Denn: Uns ist durchaus bewusst, dass nicht alle Beschäftigten einen Zugang zu mobiler Arbeit haben oder aufgrund der Art ihrer beruflichen Tätigkeit zumindest zeitweise von zu Hause oder einem anderen außerbetrieblichen Ort arbeiten können und wollen. Letztlich müssen Arbeitgeber entscheiden dürfen, ob und auf welche Weise mobiles Arbeiten sinnvoll in den Betriebsalltag integriert werden kann.

Auch unter den Aspekten des psychischen Wohlbefindens, der Identifikation mit dem Unternehmen, der sozialen Verbundenheit mit den Vorgesetzten und Kolleginnen und Kollegen wie auch dem fachlichen Austausch in einem persönlichen Rahmen zur Förderung von Kreativität bei der Entwicklung von Ideen und Lösungen sollte eine vollständige oder dauerhafte Verlagerung aller Tätigkeiten ins Homeoffice beziehungsweise mobiles Arbeiten jedoch nicht die Norm sein.

Luise Ortloff und Katharina Winkler sind bei acatech – Deutsche Akademie der Technikwissenschaften im Themenschwerpunkt Volkswirtschaft, Bildung und Arbeit für das Thema Zukunft der Arbeit zuständig und unter anderem Projektverantwortliche des Human-Resources-Kreises von acatech. In diesem Jahr hat der HR-Kreis von acatech (Forum für Personalvorstände zur Zukunft der Arbeit) einen Politikbrief mit Impulsen zur Gestaltung der digitalen Transformation veröffentlicht.

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