Kommen die digitalen Jobkiller?

von Julian Caligiuri

Technologie frisst Arbeit. Ein Beststeller der modernen Fortschrittsdebatte, der alle paar Dekaden mit beunruhigenden Schlagzeilen neuaufgelegt wird und angsteinflößende Untergangsszenarien produziert. Inmitten der digitalen Transformation (wahlweise und je nach Geschmack und Zeitgeist auch gerne mal pauschal als „Industrie 4.0“, „Big Data“ oder „Künstliche Intelligenz“ bezeichnet), fragen wir uns nun: Wie viele Arbeitsplätze wird „die Digitalisierung“ verschlingen?

Man könnte schlicht sagen: keine Ahnung. Doch so einfach sollten wir es uns nicht machen. Immerhin zerbricht sich die Forschung bereits seit Jahren den Kopf darüber, wie wir zukünftige Beschäftigungseffekte bestmöglich voraussagen können. Der Blick in die Zukunft der Arbeitsmärkte gestaltet sich erfahrungsgemäß schwierig. Welcher Landwirt hätte in den 1950er Jahren gedacht, dass bis zum Beginn des 21. Jahrhunderts nur noch ein Bruchteil weiter im Agrarsektor arbeiten wird und wir trotzdem nahezu Vollbeschäftigung haben. Und wer hätte damals gedacht, dass Jobs wie Data Analyst, Suchmaschinenoptimierer oder YouTube-Influencer entstehen. Bestimmte Entwicklungen und Innovationen lassen sich auch mit dem ausgeklügeltsten Forschungsdesign nicht voraussehen.  

Konkrete Zahlen zu zukünftigen Jobeffekten – mögen sie noch so wunderbare Überschriften und politische Argumente liefern – sollte man grundsätzlich nicht für bare Münze nehmen. Die inzwischen kultige Oxford-Studie von Frey und Osborne aus dem Jahr 2013, die bei 47 Prozent der Jobs in den USA eine hohe Gefahr der Automatisierung feststellte, hat quasi einen Forschungszweig für sich losgetreten. Auch wenn die 47 Prozent heute nur noch müde belächelt werden, haben die anschließende Debatte und die unzähligen Folgestudien einige wichtige Erkenntnisse und wertvolle Differenzierungen geliefert. Immerhin wissen wir jetzt, dass man Berufe nicht mit einzelnen automatisierbaren Tätigkeiten gleichsetzen sollte. Dabei lässt sich trefflich darüber diskutieren, welche aktuellen Tätigkeiten oder gar Jobs automatisiert werden könnten. Noch schwieriger ist es zu sagen, welche neuen Kompetenzen künftig nachgefragt und welche Jobs in welcher Zahl neu entstehen werden.  

Interessant ist hier vor allem ein Blick zurück: Da „die Digitalisierung“ keine reine Zukunftsvision, sondern bereits im vollen Gange ist, sehen wir schon heute erste Effekte: Unterm Strich sind im laufenden Jahrzehnt trotz oder gerade wegen der Digitalisierung mehr Jobs entstanden als weggefallen. Mit Blick auf die Zukunft ist sicher, dass Berufe und Tätigkeiten sich auch weiterhin verändern, teilweise wegfallen und neue entstehen werden. Gleichzeitig stellt sich die Frage, ob alles, was theoretisch automatisiert werden kann, auch automatisiert wird. Rentabilitätsüberlegungen und Investitionskosten sowie rechtliche und gesellschaftliche Faktoren kommen in der Diskussion meist zu kurz.

Technologischer Fortschritt wird gerade in Deutschland viel zu oft und zu Unrecht als Gefahr gesehen. Künstliche Intelligenz und Robotik verdrängen den Menschen nicht aus der Arbeitswelt, geben ihm aber sehr wohl eine veränderte Rolle. Intelligente Assistenzsysteme befähigen Beschäftigte anspruchsvollere Aufgaben zu erledigen. Im Zusammenspiel von Mensch und Roboter übernimmt die Maschine den körperlich zermürbenden und intellektuell anspruchslosen Teil. Das schafft mehr Raum für kognitive, soziale und kreative Arbeit – und hier ist der Mensch weiterhin unschlagbar. Die Digitalisierung braucht daher vor allem gut ausgebildete Leute, die den Wandel gestalten.  

Doch zum Schluss nochmal zurück zum Big Picture: Das alles wird nichts ohne innovative und wettbewerbsfähige Unternehmen. Unser Wohlstand heute ist langfristig keine Selbstverständlichkeit. Denn digitalisiert wird schließlich nicht nur in Deutschland. Das globale Rennen um die digitale Wertschöpfung ist längst eröffnet und einige Länder legen ein ziemliches Tempo vor. Unser Ziel muss doch sein, dass Jobs weiterhin hier entstehen und gehalten werden. Das funktioniert am besten mit einem innovationsfreundlichen Standort, der Investitionen anzieht, die notwendige Infrastruktur liefert, an dem exzellente Forschung in konkrete Anwendungen fließt und Unternehmen sich flexibel an die schnellen Veränderungen anpassen können. Hier gibt es also noch genug Arbeit.

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