#LebenslangesLernen

von Thomas Lange

Lebenslanges Lernen wird in der digitalen Transformation zum kritischen Erfolgsfaktor – für Unternehmen, individuelle Karrieren und die allgemeine Beschäftigungsfähigkeit. Der Staat kann helfen.

Die Digitalisierung beschleunigt technische, wirtschaftliche und gesellschaftliche Entwicklungen in einer Weise, die auch das Lernen grundlegend verändern wird: Wir können Wissen und Kompetenzen in Zukunft immer weniger auf Vorrat ausbilden. Der Ansatz des „lebenslangen Lernens“ hat folgerichtig Konjunktur.

Dabei ist die Idee nicht neu. Seit einem halben Jahrhundert beschäftigt sie die Fachwelt. Der Berliner Bildungsforscher Andrä Wolter stellt im Rückblick ernüchtert fest, dass sich die mit dem Konzept des lebenslangen Lernens verbundenen Hoffnungen auf fundamentale Reformen des Bildungssystems und gesellschaftlichen Versprechen bislang nicht erfüllt haben: „Deutschland ist ein Beispiel für ein Land mit einer deutlichen Diskrepanz zwischen Idee und Realisierung und einer sehr zögerlichen Implementation korrespondierender Reformen.“ Er hat dabei vor allem die Weiterbildungsbeteiligung und die sozialen Unterschiede in der Bildungsbeteiligung vor Augen.

Wie gelingt es uns diesmal, ernst zu machen? In erster Linie sind Unternehmen gefragt, ihren Beschäftigten geeignete Angebote zu machen und lernförderliche Arbeitsbedingungen zu schaffen. Der Veränderungs- und Innovationsdruck, den die meisten Branchen angesichts der Digitalisierung verspüren, sollte dem Thema Schwung verleihen. Aber es kommt auch auf das Engagement jedes Einzelnen an: Wir müssen uns für unsere Arbeits- und Beschäftigungsfähigkeit mitverantwortlich machen.

Der Staat kann diese privaten Anstrengungen unterstützen. Drei Leitgedanken sollten dabei maßgebend sein:

Erstens: Wir müssen früh anfangen. Schulen und Hochschulen müssen stärker dem Umstand Rechnung tragen, dass agiles Arbeiten und lebenslanges Lernen Kulturtechniken der Zukunft sind. Sie müssen junge Menschen darauf vorbereiten, auf neue und unbekannte Herausforderungen schnell, selbständig und selbstbewusst reagieren zu können. Die Hochschulen tragen aber nicht nur für eine zeitgemäße Erstausbildung Verantwortung. Sie müssen auch noch viel stärker als Weiterbildner in Erscheinung treten – gerade auch zu technischen Themen. Die entsprechenden Angebote sollten sich ausdrücklich auch an Nicht-Akademikerinnen und -Akademiker richten.

Zweitens: Wir sollten wissen, wo wir als Innovationsstandort hinwollen und wo wir beim Thema Weiterbildung wirklich stehen. Welche Technologie- und Wertschöpfungsfelder entscheiden in Zukunft über die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Volkswirtschaft? Was braucht der Innovationsstandort, um in diesen Zukunftsbereichen zu den entscheidenden Durchbrüchen zu kommen? Wie gut sind wir in der Grundlagenforschung, in der angewandten Forschung und Entwicklung, in den Bereichen Transfer, Produktion, Geschäftsmodelle und Vermarktung darauf vorbereitet? Wir brauchen in Deutschland ein Nationales Kompetenz-Monitoring mit dieser breiten Perspektive, um eine gemeinsame Basis für Politik, Unternehmen, Sozialpartner und Akteure im Bildungssystem zu schaffen, schnell und adäquat auf die Herausforderungen auch im Bereich des lebenslangen Lernens zu reagieren. Außerdem brauchen wir in Deutschland ein Weiterbildungs-Monitoring, das nicht nur Daten über die Weiterbildungsbeteiligung in Deutschland erhebt, sondern vor allem auch politikrelevante Wirkungs- und Erfolgsanalysen ermöglicht.

Drittens: Wir setzen konsequent auf Innovation. Bislang schöpfen wir unter anderem das Potential intelligenter Lernsysteme zur Unterstützung individualisierten Lernens bei Weitem nicht aus. Das Stichwort lautet Künstliche Intelligenz (KI). Obwohl die technischen Grundlagen für solche Systeme zum Teil schon seit Jahrzehnten bekannt sind, scheitert die Umsetzung an Akzeptanzproblemen, fehlendem technischem Know-how sowie teils unzureichenden Qualifizierungs- und Personalentwicklungsstrategien. Genau an dieser Stelle sollte die Forschungs- und Transferförderung stärker ansetzen. Zudem sollte die staatliche Forschungs- und Innovationsförderung gerade in Technologieförderprogrammen in jedem Projekt auch spezifische Qualifizierungskonzepte einfordern, um Innovationsthemen von Beginn an mit dem Thema Lernen zu verknüpfen.

Auch auf individueller Ebene sind neue Anreiz- und Unterstützungsinstrumente gefragt. Denkbar wären zum Beispiel eine konsequentere steuerliche Förderung lebenslangen Lernens im Rahmen der persönlichen Einkommensteuer und ein zielgerichtetes Weiterbildungs-BAföG. Einer Frage müssen wir uns in diesem Zusammenhang ebenfalls dringend stellen: Welche Beschäftigungsperspektiven können wir Geringqualifizierten geben, bei denen wenig Aussicht auf eine erfolgreiche Weiter- oder Umqualifizierung besteht? Eine Antwort auf diese Frage wäre eine Innovation mit gesellschaftlich besonders hoher Relevanz und Dringlichkeit.

 

Dr. Thomas Lange leitet den Themenschwerpunkt Volkswirtschaft, Bildung und Arbeit bei acatech – Deutsche Akademie der Technikwissenschaften. 2018 hat der HR-Kreis von acatech (Forum für Personalvorstände zur Zukunft der Arbeit) zusammen mit der Hans-Böckler-Stiftung Empfehlungen zur Förderung lebenslangen Lernens veröffentlicht.

 

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