Neugierig bleiben!

von Kristian Schalter

Künstliche Intelligenz = Angst und Schrecken? Das ist nicht nur einseitig, sondern auch ziemlich schade. Ein Plädoyer für Technologieoffenheit und digitale Bildung.

 

Unwissenheit kann zu Neugierde oder Skepsis führen. Bei der Entwicklung von Künstlicher Intelligenz (KI) neigen wir in Deutschland häufig zu Skepsis. Das überrascht, denn viele von uns nutzen KI tagtäglich. KI hilft uns bei der Sprachsteuerung, sortiert E-Mails im Posteingang oder gibt Tipps für den nächsten Filmabend. Diese KI wirkt wenig bedrohlich. KI, die bei der Krebsbekämpfung hilft und den Umweltschutz vorantreibt, begeistert. Der Blick in die Zukunft macht hingegen vielen Menschen Angst. “KI nimmt uns die Arbeit weg.” “Vom Algorithmus gesteuert, werden wir zu menschlichen Robotern.” Sorry, aber hier ist viel Unfug im Spiel.

Ja, KI kann missbraucht werden – kann zu Fehlern und Diskriminierung führen. Zum bias in Algorithmen gibt es eine breite Debatte. Das ist gut und hat für dieses Thema sensibilisiert. Beim Einsatz von KI im öffentlichen Raum – wie beim autonomen Fahren – brauchen wir eine gesellschaftliche Debatte über ethische Standards. Auch das ist common sense. In der Arbeitswelt wird es bei KI in erster Linie um digitale Assistenzsysteme gehen, die Menschen entlasten. Dadurch werden sich Berufe verändern, aber nicht massenhaft wegfallen.

Wir können in Europa trefflich über die ethischen Implikationen von KI diskutieren. Wir müssen aber zur Kenntnis nehmen, dass uns bei der KI-Entwicklung die USA, China und Israel bereits enteilt sind – mit allen Konsequenzen für künftige Wertschöpfung und Arbeitsplätze. Zudem dürfen wir nicht vergessen, dass nur der Standards bei neuen Technologien setzen kann, der die Entwicklung anführt und über wirtschaftliche Kraft verfügt. Europa verfügt bei der KI aktuell nicht über diese Position, geschweige denn über den wirtschaftlichen Impact.

Grundlegende Ängste werden wir nur durch eines bekämpfen: ein Grundverständnis für die Digitalisierung. Dieses Grundverständnis brauchen wir, um KI-Anwendungen im privaten und beruflichen Umfeld einschätzen zu können, aber auch, um uns an der notwendigen gesellschaftlichen Debatte zu beteiligen. Das heißt nicht, dass wir alle zum Data Scientist umschulen müssen. Ein grundlegendes Technikverständnis sollte jedoch zur Allgemeinbildung gehören wie Rechnen, Lesen und Schreiben.

Die KI von morgen wird von den Kindern von heute entwickelt. Nach wie vor bieten MINT-Kompetenzen hierzu das optimale Werkzeug. Alle Schulen sollten Informatik als Wahl- oder Profilfach anbieten, um fern von Geschlechterklischees früh Begeisterung für digitale Technologien zu wecken. Hierfür ist eine technische Ausstattung auf Höhe der Zeit Grundvoraussetzung – der DigitalPakt war hierfür ein wichtiger Schritt.

Wichtig auch: Soft Skills und Lebenslanges Lernen sind nicht bloß inhaltsleere Buzzwords der Bildungsdebatte. Konzeptionelles, kreatives und interdisziplinäres Denken sind genauso digitalisierungssichere Fähigkeiten wie soziale Kompetenzen. Die wird dem Menschen keine KI nehmen können. Wir konzentrieren uns auf unsere Stärken, die KI auf die ihren.

Der Schlüssel für eine erfolgreiche digitale Transformation ist Offenheit für technische Entwicklungen. Im Kern brauchen wir wieder mehr Mut. Unsicherheit, die mit Blick auf die Zukunft immer mitschwingt, darf nicht reflexartig zu vorauseilender Regulierung führen. Wenn Fehlentwicklungen auftreten, müssen diese selbstverständlich abgestellt, wenn notwendig reguliert werden. Wenn aber Regeln Innovationen verhindern oder verzögern, dann läuft etwas schief.

Hier können wir gegensteuern: mit Investitionen in Bildung und Weiterbildung, einem klugen und innovationsfreundlichen Rechtsrahmen und einem Schuss Mut. Wir sollten unsere Skepsis gegen eine gesunde Neugierde tauschen.

 

Als Mitglied des KI-Expertenrats von Microsoft Deutschland ist dieser Beitrag auf der Website von Microsoft Berlin erschienen.

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