Selbständige Technologieexperten - Zeit für einen neuen Blick

von Jan Jagemann

Welche Lehren für die digitale Arbeitswelt können wir bereits jetzt aus der Corona-Krise ziehen?

Jan Jagemann, CEO der KRONGAARD AG und stellvertretender Vorstandsvorsitzender des Bundesverbands Selbstständige Wissensarbeit

Die letzten Wochen und Monate haben Unternehmen und ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern viel abverlangt. Vor allem eine enorm schnelle Anpassungsfähigkeit. In kürzester Zeit wurden Prozesse digitalisiert, neue Arbeitsformen ermöglicht, in Einzelfällen sogar innerhalb von Wochen neue Geschäftsfelder erschlossen.

Stichwort „vuca“ – eindrucksvoll wurde uns vor Augen geführt, dass Reaktionsgeschwindigkeit überlebenswichtig ist, in volatilen, unsicheren, komplexen Zeiten. Welcher Vorstand oder Risikomanager hatte 2019 schon die richtigen Gegenmaßnahmen zum „pandemiebedingten Lockdown“ in seinem BCM -Werkzeugkasten?

Selbständige Digitalisierungs-, Technologie und Fachexperten haben einen wichtigen Anteil daran, dass deutsche Unternehmen schnelle digitale Antworten geben konnten und können. Sie sind ein elementarer Bestandteil einer immer stärker projekt- und wissensbasierten Arbeitswelt. Bringen präzise und kurzfristig Erfahrungen dort ein, wo schnelle und nachhaltige Lösungen wichtig sind. Und haben somit einen Beitrag geleistet, Unternehmen krisenfest zu machen und Arbeitsplätze zu sichern.

Anpassungsfähigkeit und schnelle digitale Antworten werden auch post-Corona entscheidende Parameter der Wettbewerbsfähigkeit bleiben.

Und egal, was es ist: die technische Lösungskonzeption für kurzfristig gebrauchte 8000 VPN Zugänge, das UX Konzept und UI Design für eine in wenigen Wochen aus dem Boden gestampfte E-Commerce Alternativlösung zum bisherigen stationären Vertrieb, das Fast-track Projekt in dem man einen Experten für Batteriespeicherkonzepte braucht, den man selbst nicht an Bord hat, die morgen gebrauchte Expertin für ein Cloud-Projekt – kaum ein Unternehmen kann das alleine leisten, weder in der geforderten Geschwindigkeit, noch Know-How-Tiefe.

Politisch dominiert leider allzu oft ein anderer Blick auf Solo-Selbständigkeit und Freelancing die Debatte: Risikoreich – zusammengefasst im stets negativ belegten Begriff des „atypischen“ Arbeitsverhältnisses. Die letzten Monate sollten der Frage, ob diese pauschale Sichtweise noch zeitgemäß ist, neue Dynamik verliehen haben. Es ist Zeit für einen deutlich differenzierteren Blick.

Denn Zukunft der Arbeit ist auch:

Agilität durch eine „blended workforce“ - die Mischung aus internem Unternehmenswissen und externen Impulsen „on demand“, das projektbasierte Zusammenführen von Wissen aus unterschiedlichen Branchen und Welten, Konzentration auf Kernkompetenzen und Sourcing von Spezialwissen als Basis für Wissenstransfer an eigene Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.

Nicht ohne Grund wählen gerade im Tech Bereich viele Menschen den Weg des Ein-Personen Beratungsunternehmens, nicht selten im zweiten oder dritten Karrieredrittel. Der Wunsch nach Autonomie, Vertiefung von Spezialisierung, Beratung ohne Einbindung in Unternehmenshierarchien, attraktive Honorare – nur vier Gründe von vielen.

Über 300.000 selbständige Expertinnen und Experten in Wissensarbeit helfen Projekten zum Erfolg – und die Nachfrage steigt. Da ist es an der Zeit, wissensbasiertem Freelancing den Stellenwert einzuräumen, den es in unserer technologiegeprägten Wirtschaft zukünftig noch stärker haben wird.

Es ist an der Zeit, neue Formen der Selbständigkeit nicht nur zu dulden, sondern zu fördern und durch moderne Regelungen, Bürokratieabbau und politische Anerkennung zukunftsorientiert und positiv zu begleiten. Denn die Arbeit der Zukunft ist – auch – neue Selbständigkeit.

Jan Jagemann ist Co-Gründer und Vorstandsvorsitzender der KRONGAARD AG in Hamburg sowie stellvertretender Vorsitzender des Vorstands des Bundesverbands Selbstständige Wissensarbeit. Er beschäftigt sich seit über 20 Jahren mit selbständiger Wissensarbeit in Technologie- und Fachprojekten.

 

Zurück

Beitrag teilen: