Was ein Taschenrechner mit ChatGPT zu tun hat - Anwendungsbeispiele in der Praxis

von Mareike Kühl

Alle reden von ChatGPT. Aber welche konkreten Anwendungsfälle wird es geben und welche Branchen könnten am stärksten davon profitieren?

Standardisierte Chatbots werden schon seit einigen Jahren im Kundenservice genutzt. Da diese Chatbots allerdings einen begrenzten Funktionsumfang haben, bietet ChatGPT, sofern man ihn mit den Daten des jeweiligen Unternehmens füttert, einen Mehrwert. Der Chatbot kann weit über FAQ hinaus Beschwerden oder Wünsche bearbeiten und bei Bedarf an die menschlichen Kolleginnen und Kollegen weitervermitteln.

Für das Unternehmen ist diese Zeitersparnis ebenso wichtig wie die Beantwortung der Anfragen von Kundinnen und Kunden in Echtzeit. Diese Funktionsweise kann auch im HR-Bereich genutzt werden. Beim Recruiting können Bewerbende konkrete Fragen stellen, sich nach dem aktuellen Stand des Bewerbungsprozesses erkundigen und Feedback zu ihren eingereichten Dokumenten bekommen. Dieser Vorgang entlastet die Mitarbeitenden im HR-Bereich und bietet ihnen die Gelegenheit, sich mehr Zeit für individuelle Gespräche nehmen zu können. Darüber hinaus können KI-Anwendungen wie ChatGPT Entwürfe für Stellenbeschreibungen aufgrund einer Datenbasis der Unternehmens-Website oder konkretem Input der aktuellen Mitarbeitenden verfassen.

Ob Tweet-Vorschläge, Strategien für Instagram-Auftritte, Scripts für Info-Videos, Newsletter, Rundschreiben oder interne Mailings - die Nutzungs-Optionen sind vielfältig. An dieser Stelle ein paar konkrete Vorschläge für den HR-Bereich:

  • Text-Bausteine für Zeugnisse oder standardisierte Interviewfragen im Bewerbungsverfahren
  • Unterstützung im Recruiting (Erstellung von Bewerber-Profilen o.Ä.)
  • Erstellung von Infotexten für Websites oder zu Schulungen (z.B. in internen oder externen Newslettern)
  • Automatisierte Unterstützung bei Vorauswahl von Bewerbenden – Durchführung von standardisierten Interviews und deren Auswertung
  • Große KI-Sprachmodelle wie ChatGPT können Unterstützung bei der Kommunikation mit den Bewerbenden/Mitarbeitenden bieten (Mailings oder FAQs)
  • Erstellung von personalisierten Karriereentwicklungsplänen für Beschäftigte
  • Langfristigere Perspektive: Unterstützung in der Social-Media Präsenz durch Texte oder Postings sowie Strategie-Vorschläge um Unternehmen bekannter zu machen und sich optimaler für potentielle Bewerbende zu präsentieren

Aber nicht nur E-Commerce, Marketing oder HR eignen sich für den Einsatz von großen KI-Sprachmodellen. Im Gesundheitswesen beispielsweise sind die Dokumentationspflichten für die Mitarbeitenden sehr umfangreich. Wird der Datensatz, mit dem ChatGPT aufgebaut wurde, für Krankenhäuser, Pflegeeinrichtungen oder Altenheime angepasst und der Einsatz juristisch abgesichert, lassen sich mit Hilfe von Chatbots, die Dokumentationspflichten stark erleichtern. Eine Alternative wären KI-Sprachmodelle, die ähnlich leistungsstark sind wie ChatGPT, aber auf einem weniger umfassenden Datensatz basieren. Diese Modelle können mithilfe einer Schnittstelle zum jeweiligen Sprachmodell angepasst bzw. individualisiert werden. In diesem Fall ist der Einsatz von personenbezogenen Daten allerdings genauso wie der Abgleich mit der DSGVO besonders wichtig und genau zu überprüfen.

Darüber hinaus sind auch folgende Branchen von besonderem Interesse für den Gebrauch von großen KI-Modellen: IT, Finanzen oder Bildung. In der IT-Branche lassen sich Codes erstellen, Programmiersprachen verstehen sowie Fehler in bestehenden Codes finden. Im Bildungsbereich hingegen ist die Verwendung von KI Chatbots stark ambivalent zu betrachten. Große KI-Sprachmodelle wie der ChatGPT können Lehrende wie auch Schülerinnen und Schüler oder Studierende in vielerlei Hinsicht unterstützen. Lehrende können sich mithilfe von ChatGPT Inspiration für Unterrichtsentwürfe beschaffen oder zum Beispiel Unterstützung bei Korrekturen holen.

Man muss die neuen KI-Tools aber auch anwenden können. Für Schülerinnen und Schüler lässt sich im Fall von ChatGPT der Vergleich zu einem Taschenrechner ziehen. Auch Taschenrechner geben, sofern Schülerinnen und Schüler die Rechenaufgabe korrekt eingegeben haben, das richtige Ergebnis aus. ChatGPT verhält sich ähnlich: sofern eine korrekte Aufforderung, bzw. einen sogenannten prompt – so nennt sich der Auftrag, der ChatGPT gegeben wird –  eingegeben wurde, gibt Chat GPT in den meisten Fällen eine korrekte Antwort aus. Ist der prompt allerdings unklar formuliert, zu lang, fehlerhaft oder missverständlich, dann wird auch der Output von ChatGPT fehler- oder lückenhaft sein.

Aber der Vergleich mit einem Taschenrechner ist für viele Bildungsbereiche zu kurzgefasst. Gerade beim Verfassen von Aufsätzen, Gedichten oder anderen offenen Schreibaufgaben wird es für Lehrende schwierig sein, zu erkennen, ob der jeweilige Text von einer KI oder einem Schüler oder einer Schülerin verfasst wurde. Dafür hat Open AI bereits eine Antwort in Form einer neuen Anwendung an den Start gebracht. Der neue AI Text Classifier soll im Großteil der Fälle erkennen können, ob ein Text von einer KI oder einem Menschen verfasst wurde. Darüber hinaus wird aktuell über eine Art unsichtbares Wasserzeichen nachgedacht, mithilfe dessen die Einordnung von Texten eindeutig möglich sein soll.

Die Herausforderung aber bleibt und ist gerade akuter denn je. Und das lässt sich auf alle Bereiche, die ChatGPT beeinflusst anwenden. Eine Entwicklung, die für die breite Öffentlichkeit sehr überraschend aufgekommen ist und damit Beschäftigte und Branchen genauso vor größere Herausforderungen stellt, wie sie hilfreich ist.

Mareike Kühl ist Referentin in der Abteilung Strategie und Zukunft der Arbeit bei der BDA. Sie betreut nicht nur das #futurework-Festival, sondern auch die Themenbereiche KI und Plattformarbeit. Neugierde und Offenheit für neue Technik sind ihr in dieser Debatte genauso wichtig wie das Verständnis für die Grenzen von Anwendungen wie dem ChatGPT.

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